Brief von Rosemarie

Lieber guter Georg,

ich habe Deine beiden letzten Briefe nachgeschickt bekommen u. den vom 11. 7. heute bei meiner Heimkehr aus Rüssen vorgefunden. Ich bin also ohne Sorge um Dich u. danke Dir, daß Du mir immer so gut schreibst. Bitte teile mir doch mit, ob Du die 15 M (etwa vom 2. 7.) u. die Schuhe bekommen hast.

Nun habe ich meine Rüssenzeit hinter mir u. beinah ist es mir leid. Die Gruppe, mit der ich draußen war, war außerordentlich nett zusammengesetzt. Herr Dr. Wenke selbst hat mir gesagt, daß die Kinder sehr diszipliniert u. kameradschaftlich waren. Das will etwas heißen; da ihm die Kinder meist lästig sind. Er hatte übrigens recht: Die Kinder waren sehr kameradschaftlich untereinander: Wo es anging, halfen die Größeren u. Geschickteren den Kleinen, ließen sie überall mitspielen usw. Die Kleinen hatten öfter gehört, daß ich die Großen zu solcher Haltung ermahnt hatte – denn ganz von selbst kommt so etwas auch bei bester Veranlagung der Kinder nicht. Da nahmen es sich die Kleinen denn auch an u. eines Untermittags höre ich einen unsrer Dreikäsehoche zum anderen sagen: „Du, sei jetzt still: Frau Sacke hat gesagt, daß sie schlafen will. Nun störst Du sie u. das ist unkameradschaftlich.“ Auf solche kleinen „Kameraden“ kann ich doch stolz sein.
Mir ist die viele Luft, Sonne, das Baden u. die regelmäßigen Mahlzeiten gut bekommen. Ich bin schon ganz erholt u. die Ruhe in Lobenstein wird für die Nerven gut sein.

Daß Du auch Sport getrieben hast (warum hast?) freut mich sehr. Selbstverständlich bist Du noch jung u. leistungsfähig – ich fühle mich genau so. Du, wir stehen doch ganz am Anfang unseres gemeinsamen Lebens! Vor uns liegt doch eine Zukunft, oder besser in uns, in der festen, unlöslichen Freundschaft, die uns verbindet – umso inniger, je mehr wir räumlich getrennt sind. Auch ich denke ja Tag u. Nacht an Dich. Du darfst niemals darum bitten oder mich daran erinnern. Das mußt Du doch wissen, Junge, daß ich Dich nie vergessen kann, auch nicht auf eine halbe Stunde.

Leb wohl, lieber Georg. Bloß einen Augenblick möchte ich mein Gesicht in Deine lieben Hände legen

Deine Rose.

Schreibe bitte nach Lobenstein, postlagernd. Da hole ich die Post selbst ab. Ich habe niemand Rechtes zum Nachschicken u. will nicht auf Deine Briefe warten müssen.