Brief von Georg

Polizeipräsidium Leipzig, Zelle 24

Meine liebste Rose,

ich bin seit Montag im Polizeipräsidium (Zelle 24). Was nunmehr aus mir wird, weiß ich nicht. Allem Anschein nach Ausweisung. Ich sehe zu, daß ich zu mindestens 3 Tage noch bleiben darf, um alle meine Sachen in Ordnung zu bringen. Lebensmittel kann ich leider hier nicht kaufen. Du kannst mir aber etwas mitbringen oder zuschicken (Besuchszeit Mo., Mi. und Fr. 10.30 bis 12.30). Ich möchte dich um etwa 4 Pfund Möhren und 1 Pfund Zwiebeln bitten. Butter, Fett usw. wird, wie ich gehört habe, nicht angenommen. Für die Bücher und insbesondere die Zeitschrift bin ich dir sehr dankbar. Es war für mich ein Fest. Es freut mich sehr, daß ich jetzt auch in die Gedankenwelt deines Vaters mich vertiefen kann. Ich versuche jedenfalls die Zeit möglichst produktiv zu gestalten. Du bist eine wirklich rührende Frau. Du scheinst immer daran zu denken, ob mir nicht etwas fehlen könnte. Ich bin jetzt mit allem versorgt. Mache dir ja keine Sorgen. Auch gesundheitlich geht es mir ganz gut.

Die endgültige Entscheidung über meine Zukunft wird hoffentlich bald fallen. Ich weiß, daß du stark und selbständig genug bist, um auch die schwersten Konsequenzen tragen zu können. Ich bin auch überzeugt, daß wir uns auch in dieser Zeit uns durchsetzen werden. Ich werde sicher irgend eine Beschäftigung finden, und dann werden wir wieder zusammen sein können.

Zeitung kann ich hier leider nicht halten. Bis jetzt habe ich mit größtem Interesse die Ereignisse in Abissinien verfolgt.
Leider kann ich nicht mehr schreiben, da der Brief abgegeben werden muß.

Leb wohl, meine liebe gute Marusja, ich küsse deine kleinen Hände

Dein Georg.

Schicke mir bitte auch