Rosemarie an Georg

Lieber Georg,

als ich heute nachhause fuhr, fühlte ich eine solche Gewißheit, daß Du daheim sein würdest! Nachher war es wieder nichts, wie 100 Mal vorher. Manchmal denke ich, ich kann einfach nicht mehr weiter. Da möchte ich mich hinlegen und keine Hand mehr rühren zu irgendeiner Arbeit. Dann aber zanke ich mich aus, weil ich meine Lage tragisch nehme. Viele Menschen dulden viel Schwereres, als uns auferlegt ist, u. sind ganz still u. tapfer dabei. Ein halbes Jahr Trennung. Das klingt gar nicht so schlimm. Und doch ist es mir, als ob ich manchmal einfach schreien müßte vor Kummer, weil ich Dich nicht sehen u. sprechen kann.

Ich male mir manchmal aus, wie es sein wird, wenn ich am Bahnhof stehe u. auf Dich warte. Dann kommst Du auf einmal auf mich zu. Es ist ganz schrecklich, jetzt an unser Wiedersehen zu denken.

Sei nicht böse, daß ich in Deine Weste weine! Ich kann u. mag nicht jemandem anders mein Leid klagen als Dir. Hoffentlich quäle ich Dich nicht damit. Du darfst schon vertrauen, daß ich mich zusammen nehme, wenn es sein muß.

Viele, viele Grüße

Deine Marusja.

Schreib, wie es mit deiner Wäsche wird. Sonst schicke ich Dir ohne Auftrag. Denke doch bei der Durcharbeitung Deiner Habil.schrift an die Mahnung Deiner superklugen Frau zu formaler Arbeit. Ich bin gar nicht so entzückt, daß Du „neues Material“ gefunden hast. Bitte, bitte nicht böse sein!